Am 15. Oktober 2025 waren die Klassen 10a und 10e im Rahmen des Deutschunterrichts gemeinsam im Jungen Schauspielhaus und haben sich das Stück „Anybody Home“ angeschaut. Die 10a hat dazu eigene Rezensionen geschrieben. Zwei davon könnt ihr hier lesen – mit ganz unterschiedlichen Eindrücken zum Stück.
Dass Inszenierungen perfekt sein können, hat Regisseur Klaus Schumacher im Jungen Schauspielhaus mit dem Stück „Anybody Home“ bewiesen.
Es handelt sich um ein Stück, das von Problemen, die in der aktuellen Zeit viele betreffen, nur so wimmelt.
Mit überspitzten Charakteren wird eine Familie gezeigt, die durch die Digitalisierung und Isolation in der Pandemie kaputtgeht.
Das Stück startet mit einem Prolog, der Fragen aufwirft. Ein verbranntes Haus bedeckt die Bühne. Die Jahreszahl 2032 wird an das Haus geworfen. Dann versammelt sich die Familie auf der Bühne, und es wirkt, als hätten sie sich länger nicht gesehen. Nachdem die Familie die Bühne verlassen hat, ändert sich die Jahreszahl, und wir befinden uns in der Gegenwart.
Die Familie besteht aus Mutter Judith (Christine Ochsenhofer), die Kriegsfotografin ist und von ihren Kindern vorgeworfen bekommt, nicht für sie da zu sein, dies aber anfangs nicht wahrnimmt, Vater Jakob (Hermann Book), der im Internet Verschwörungstheorien predigt, Serafin (Anastasia Lara Heller), die sich komplett von ihrer Familie distanziert hat und in ihren KI-Bot verliebt ist, ihrer Zwillingsschwester Alma (Victoria Kraft), die versucht, sich um alles zu kümmern, eigentlich aber lieber mit ihrem Freund Aban (Parsa Yaghoubi Pour) ins Ausland gehen würde, um Entwicklungsarbeit zu machen, und dem elfjährigen Mattheo (Silvio Kretschmer), der sich von allem, das digital ist, komplett distanziert, aber nicht sagen will, warum.
Diese Probleme und Konflikte wurden mithilfe der Drehbühne, die ein offenes Haus war und den individuellen Einblick in die Familie ermöglichte, sehr beeindruckend dargestellt. Mithilfe des Percussionisten Jan S. Beyer wurde die Inszenierung aber zur Perfektion getrieben. Er schaffte es, durch die Musik alle Szenen, in denen niemand redete oder nichts Dramatisches passierte, mit pulserhöhender Musik aufzufüllen, sodass es wirklich nie langweilig wurde.
Besonders herausgestochen ist Schauspieler Silvio Kretschmer, der es als erwachsener Mann geschafft hat, kindlich und naiv zu wirken. Aber auch die anderen Schauspieler waren sehr überzeugend, und alle zusammen schafften es, dass man eine unglückliche und kaputte Familie auf der Bühne erleben konnte.
Die Kostüme waren darauf angelegt, authentisch und realistisch zu wirken. Alle trugen moderne Alltagsklamotten. Das einzige Kostüm, das fragwürdig und nicht alltäglich war, war das Kostüm von Serafin. Anfangs trug sie auch Alltagsklamotten, aber später, als sie sich traute, wieder mit ihrer Familie zu sprechen und aus ihrem Zimmer zu kommen, zog sie sich auf einmal auf der Bühne um. Sie trug ein schwarzes Flatterkleid und zog sich eine weiße Perücke mit blauen Spitzen an, die aussah, als käme sie aus einem Anime. Es ist zu vermuten, dass das ihre Abhängigkeit und Liebe zur KI darstellen sollte; allerdings sorgte das Kostüm eher für einen seltsamen und verwirrenden Effekt, der gemischte Reaktionen im Publikum verursachte.
Alles in einem ist es ein sehr lebhaftes Stück, das auf die Probleme der aktuellen Zeit gut hinweist und ansprechend für alle über 14 ist. Für Jüngere könnte es zu dramatisch und ernst sein. Außerdem gab es auch eine verbalsexuelle Szene, die für Jüngere nicht angemessen sein könnte.
Carolina Schrietter (10a)
Es beginnt mit einem Blick in die Zukunft. Hell ist das Bühnenbild eines verbrannten Hauses beleuchtet, als die Schauspieler auf die Bühne kommen.
Zunächst besprechen sie Dinge, die der Zuschauer noch nicht ganz einordnen kann – bis Victoria Kraft, die in dem Stück die Rolle von Alma verkörpert, sich an das Publikum wendet und sich an das Jahr 2025 zurückerinnert.
Gekonnt werden die Drehbühne und das Bühnenbild genutzt, um die Zeit zurückzudrehen und das eigentliche Stück beginnen zu lassen.
Der Ton des Stücks wird sofort deutlich, als mithilfe von Licht, Musik und Dialog eine ernste, aber erst mal heile-Welt-Stimmung erzeugt wird. Geschickt fangen der Regisseur Klaus Schumacher und die Dramaturgin Stanislava Levié jedoch die Art einer dysfunktionalen Familie ein, und mit der Zeit offenbaren sich immer mehr Probleme, die diesem Konflikt zugrunde liegen.
In der Familie hat sich über die Zeit einiges angestaut, und als sich der 18. Geburtstag der Zwillinge Alma und Serafin nähert, explodieren die Gefühle zwischen den Schwestern, ihrem kleinen Bruder Matteo, ihren Eltern und Aban, dem Freund von Alma. Die schauspielerische Leistung aller Darsteller*innen ist sehr überzeugend und berührend, und obwohl das Alter der Schauspieler nicht immer dem ihrer Rollen entspricht, ist es doch sehr authentisch und nachvollziehbar dargestellt.
Das Thema Social Media wird aus der Gegenwart gegriffen und ein wenig überspitzt, aber doch unangenehm realistisch abgebildet. Weitere Probleme wie der Rechtsruck im Land und der Streit um Migration spielen ebenfalls eine Rolle.
Diese aktuellen Themen sind besonders für ein jugendliches Publikum interessant, jedoch kritisiert das Stück auch die Eltern, die die Aktivitäten ihrer Kinder im Netz unterschätzen und nicht sehen, was mit ihnen passiert.
Erfrischend ist der optimistische Blick, den das Stück auf eine Zukunft gibt, in der die Menschen mit künstlicher Intelligenz gelernt haben zu leben.
Mit der gesellschaftskritischen Inszenierung der Probleme mit Social Media und dem geschickten Einsetzen von Drehbühne und Musik erschaffen Klaus Schumacher und Stanislava Levié eine Atmosphäre, die sofort in ihren Bann zieht, und man kann nicht umhin, selbst nachzudenken.
Maja Lehmberg (10a)