ERINNERUNGEN VON RICHARD HENSEL UND ROLF SCHULTZ-SÜCHTING

Am Donnerstag, den 10.4.2025 durften unsere Profile Kunst und Kultur (11.2 und 12.2) im Rahmen eines Interviews in der 5. und 6. Stunde zwei beeindruckende Lebensgeschichten hören. Richard Hensel und Rolf Schultz-Süchting vom Zeitzeugenbüro Hamburg waren das zweite Mal bei uns zu Gast. Ihre Erzählungen führten uns durch die politischen Systeme und die Nachkriegszeit als Kinder und Jugendliche.

Richard Hensel wurde 1933 in Danzig geboren, was im heutigen Polen liegt. Seine jungen Jahre waren geprägt vom Nationalsozialismus und dem Krieg. Er beginnt seine Erzählung mit dem Einmarsch der Roten Armee im Jahr 1945. Danach lebte er weiter in der DDR bis 1955. Seine Schulzeit wurde stark vom NS-Regime beeinflusst. So ließ seine Lehrerin, damals noch als „Fräulein“ anzusprechen, zu Beginn der Stunde nationalsozialistische Propaganda aufsagen. Aufgrund der Tatsache, dass er Linkshänder war, wurde er von der Lehrerin auf die Finger gehauen und schrieb fortan mit rechts. Der Lernstoff in der 2. Klasse drehte sich um Adolf Hitlers Biografie. Richard Hensel erzählt uns, wie er trotz einer herannahenden Niederlage des Deutschen Reichs, als junger Bursche ein offizielles Schreiben der Hitlerjugend erhält. Nach dem Krieg verschärfte sich die Lage der sowjetischen Besatzzone bzw. der späteren DDR. Seinem Vater wurde Druck gemacht, Informationen im Zusammenhang mit seinem Beruf preiszugeben, er erwiderte: „Ich habe niemanden an die Braunen verraten, also verrat ich auch niemand an die Roten“, Richard und seine Familieflüchteten daraufhin in den Westen. Den entscheidenden Hinweis die DDR zu verlassen, gab sein Bruder ihm auf einer Toilette, während er die Spülung betätigte, aus Angst vor der Staatssicherheit (Stasi), dabei nannte er nur eine Haltestelle in West-Berlin.

Rolf Schultz-Süchting wurde 1944 geboren, seinen Vater lernte er nie kennen. Seine Mutter war Schulleiterin am Heilwig Gymnasium inAlsterdorf. Die Gesellschaft in der Nachkriegszeit beschreibt er als eine solidarische Gemeinschaft. Das Miteinander war stark, Rolf Schultz-Süchting erzählt uns, dass er positive Begegnungen mit britischen Besatzungssoldaten auf den Straßen Eppendorfs hatte. Trotz dieser solidarischen Gemeinschaft erwähnt Rolf Schultz-Süchting immer wieder, dass nach dem Krieg, nur nach vorne geschaut wurde, und das nicht im positiven Sinne, sondern im negativem. Ein Stillschweigen über die NS-Zeit der Erwachsenen. Ihm wurde auch auf Nachfrage nichts erzählt. Eswurde kein Wort darüber gesagt, wie es dazu kommen konnte. Erst mit der 68er-Bewegung begann ein gesellschaftliches Hinterfragen und eineAufklärung, etwa über Verbrechen in Auschwitz. Diese späte Aufarbeitung war dringend notwendig. Sein Großvater, der als deutscher U-BootBauer später für die USA tätig war, war Teil der Nürnberger Prozesse. Er verschwieg seinem Enkel jedoch alles. Der mittlerweile 81-jährige trug damals mit seinen Mitstudierenden das bekannte Transparent „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“. Vor seiner Rente war Rolf Schultz-Süchting als Rechtsanwalt tätig.

Beide Zeitzeuge verdeutlichen, unterschiedliche Geschichten in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, je nachdem, ob man sich in der BDR oder der DDR befand. Gemeinsam sind sie große Befürworter der Demokratie. Wir danken Richard Hensel und Rolf Schultz-Süchting herzlich fürihre Offenheit und dafür, dass sie ihre Erfahrung mit uns geteilt haben. Ebenfalls danken wir unseren Interviewerinnen Yakira Wolff und Lili Pöls (12.2).

Sten Sendke (11.2)