Ein bewegendes Zeitzeugengespräch mit der Holocaust-Überlebenden Henriette Kretz 

 

Am 22.04.2025 und 23.04.2025 bekamen die 10. Klassen die Ehre, einer Holocaustüberlebenden bei der Erzählung ihrer Lebensgeschichte zuzuhören. Henriette Kretz wurde am 26. Oktober 1934 in Stanislau geboren – einem damals polnischen Ort, der heute zur Ukraine gehört. 1939 floh das damals fünf Jahre alte Mädchen gemeinsam mit ihren Eltern vor den deutschen Besatzungstruppen über Lemberg nach Sambor. Henriette Kretz beschreibt ihre Zeit in Sambor als eine schöne. Dort ging sie zur Schule, lernte Freunde kennen und durfte ein „ganz normales Kind“ sein. 

 

Doch der Krieg holte die Familie auch dort ein. Nach einiger Zeit im „jüdischen Bezirk“ kam Henriette alleine, ohne ihre Eltern, bei einer Freundin des Vaters unter, wo sie eine Zeit lang leben konnte, bevor sie gefunden und in ein Gefängnis gebracht wurde. In der Zelle, die sie mit vielen anderen Frauen teilte, erlebte sie Schreckliches. Nach einer Weile im Gefängnis durfte sie zurück in den „jüdischen Bezirk“, in dem inzwischen ein Ghetto errichtet worden war, und konnte endlich wieder zu ihren Eltern. Der Familie gelang es, zu Bekannten zu fliehen. Dort wurden sie zunächst im Keller, später auf dem Dachboden versteckt. Während die Zeit im Keller als sehr belastend beschrieben wurde – die Familie verbrachte die meiste Zeit im Dunkeln und konnte sich kaum bewegen – war die Zeit auf dem Dachboden einigermaßen auszuhalten. Dort hatten sie Licht und damit ein Gefühl für die Tageszeiten. 

 

Eines Tages stieg jemand die Leiter zu ihrem Versteck auf dem Dachboden hinauf. Soldaten nahmen die Familie mit, doch bevor sie in ein Konzentrationslager gebracht werden konnten, verschaffte Henriettes Vater dem jungen Mädchen eine Möglichkeit zur Flucht. Dabei wurden er und die Mutter vor den Augen Henriettes erschossen. 

 

Mit dem Wissen, keine Eltern mehr zu haben, traf sie die Entscheidung, sich in einem nahegelegenen Waisenhaus zu verstecken. Die dort arbeitende Nonne war eine Freundin des Vaters. Durch diese heldenhafte Frau erhielt Henriette endlich wieder ein sicheres Zuhause, in dem sie ihre traumatische Zeit überleben konnte. Doch nicht nur Henriette, sondern auch viele andere jüdische Kinder sowie Kinder aus der Gruppe der Sinti und Roma fanden im Waisenhaus des Nonnenklosters einen Platz. 

 

Heute kann Henriette Kretz über ihre Geschichte eindrücklich berichten, doch bis dahin war es ein langer Weg. Sie selbst sagt, sie habe 40 Jahre gebraucht, bis sie das erste Mal richtig über ihre traumatischen Erlebnisse sprechen konnte. Sie führt Zeitzeugengespräche so oft wie möglich, da sie es als ihre Aufgabe ansieht, uns zu verdeutlichen, wie schnell aus dem normalen Leben eines kleinen Mädchens ein Kampf ums pure Überleben werden konnte. Die Welt sei in großer Aufruhr, und daher sei es wichtiger denn je, sich darauf zu besinnen, dass sich die Vergangenheit nicht wiederholt. Durch Atomwaffen sei es heute deutlich einfacher geworden, die gesamte Erde und damit die Menschheit zu zerstören – doch sei uns die Erde nicht gegeben worden, um gemeinsam auf ihr zu leben? 

 

Wir danken Henriette Kretz herzlich dafür, dass sie uns an ihrer bewegenden Geschichte teilhaben ließ!

 

Magdalena Frank, Klasse 10c